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tiefes wissen

Hier lesen Sie Geschichten der Heilung und des inneren Wachstums. Es sind erlebte Erzählungen von Menschen, die in ihre Tiefenimagination gereist sind und von den Wesen ihrer inneren Bilderwelt durch Wachstumsprozesse begleitet wurden. Lassen Sie sich berühren von der Vielfalt und Tiefe der hier geteilten Geschichten. Vielleicht wecken sie in Ihnen den Abenteuergeist, selbst auch einmal den Blick nach innen zu richten und auf die Reise zu gehen…

4. Dezember 2015

Der schwarze Wolf

Ich treffe den Wolf auf mehreren Reisen zwischen Juni und August 2015. Das gesamte Jahr 2015 über denke ich über berufliche Veränderungen nach, spiele die unterschiedlichsten Varianten durch, aber im letzten Moment gibt es immer etwas, das einen Ausbildungsbeginn oder eine andere Veränderung verhindert. Stattdessen begebe ich mich in Jobsituationen, die mich mehr und mehr von allem abschneiden, das mich ausmacht. Ich bin völlig frustriert und desillusioniert. Da begegnet mir der schwarze Wolf.

~Juni~
Ein schwarzer Wolf mit durchdringenden gelben Augen sitzt hinter einem Zaun. Der Wolf ist ziemlich frustriert und aggressiv, weil er eingesperrt ist. Er möchte gerne hinaus, kann aber nur hinter den Gitterstäben sitzen, das macht ihn fast wahnsinnig. Sein Gemütszustand spiegelt sich auch in seiner äußeren Erscheinung wider: Er ist groß, aber sehr mager, sein Fell ist stumpf, fast räudig. Trotzdem, wenn ich ihn anschaue, erhasche ich immer wieder einen Blick auf sein wahres Selbst - ich sehe den wunderschönen, starken, großen Wolf, der er eigentlich ist. Ich sehe ihn in seiner vollen Kraft, mit leuchtenden Augen, vital, mit glänzendem schwarzen Fell. Es macht mich traurig, ein so schönes Tier als Schatten seiner selbst zu sehen.
Jetzt bin ich gemeinsam mit dem Wolf hinter dem Zaun. Ich schaue mich um, hinter dem Zaun erstreckt sich eine unendliche Weite, bis zum Horizont ist keine Begrenzung zu sehen. Ich frage den Wolf, was ich für ihn tun kann. Er möchte nicht mehr eingesperrt sein, möchte seinen Weg gehen können. Aber der Zaun ist im Weg. Also schlage ich vor, es doch in der entgegengesetzten Richtung zu versuchen. Dort scheint es keinen Zaun zu geben. Aber der Wolf will nicht. Er möchte in die andere Richtung.
Als ich mich wieder zum Zaun drehe, fällt mir auf, dass dieser eigentlich kein Hindernis darstellt. Er ist nach links und rechts jeweils bloß ein paar Meter lang, es gibt keine Seitenteile, man kann also ganz einfach darum herumgehen und steht auf der anderen Seite. Als ich den Wolf darauf aufmerksam mache, schnaubt er nur verächtlich. Er will nicht um den Zaun herumgehen müssen, er will genau da ungehindert gehen können, wo der Zaun im Weg ist. Dort, genau dort, ist sein Weg. Natürlich könnte er um den Zaun herumgehen, aber er sieht nicht ein, warum er das tun sollte. Er findet es ganz und gar nicht fair, dass er einen Umweg machen sollte. Außerdem wäre es mit dem Umweg nicht mehr genau der Weg, den er gehen möchte.
Von ihm geht unglaublich viel negative Energie aus, auch mich zieht er damit hinunter. Jeder Vorschlag von mir wird abgeschmettert, er ist sehr zynisch. Ich habe den Eindruck, dass er im Grunde gar keine Hilfe will und gebe frustriert auf. Das macht mich gleichzeitig auch sehr traurig, weil ich den Wolf an sich mag, ich habe ihn vom ersten Augenblick an ins Herz geschlossen und würde ihn gerne in seiner ganzen Pracht erstrahlen sehen.

Ein paar Tage später treffe ich ihn nochmal. Er ist inzwischen doch um den Zaun herumgegangen. Ich freue mich riesig für ihn. Ich frage ihn, wo er jetzt hin möchte. Da ist ein Wald, in dem er gerne leben würde, wo er sich zu Hause fühlt. Er weiß, dass er dort hingehört, er kann ihn in seinem Herzen sehen. Aber er weiß nicht, wie er dort hinkommen kann. Ich glaube, wenn er den Ort kennt, wo er hingehört, wird er automatisch den Weg dorthin finden. Er muss nur aufbrechen und gehen. Aber sicherheitshalber schlage ich vor, die Eule zu rufen. Vielleicht kann sie aus der Luft einen solchen Wald sehen. Und tatsächlich gibt es ihn, allerdings in weiter Ferne. Die Eule zeigt uns die Richtung und mein wunderbarer Wolf läuft los.

~Juli~
Der schwarze Wolf sitzt mitten in einer Ebene. Der Zaun ist nicht mehr zu sehen, er muss also schon ein gutes Stück Weg zurückgelegt haben. Mein Wolf wirkt sehr niedergeschlagen und mutlos. Als ich nachfrage, sagt er, dass er sich völlig verloren fühlt. Um ihn herum ist nichts als grenzenlose Weite, er will da nicht sein. Er hat keinen Schutz, fühlt sich ausgeliefert. Sosehr er sich auch nach der Freiheit gesehnt hat, so hat er sich das nicht vorgestellt. Er hätte gerne einen Weg, den er sehen kann und ein sicheres Ziel. Ich frage ihn, was mit dem Wald ist, zu dem er unterwegs war. Er schüttelt nur traurig den Kopf und sagt, Was, wenn es den Wald gar nicht gibt? Wenn er Kilometer um Kilometer läuft, aber nie hinkommt? Immerhin gibt es nichtmal einen Weg dorthin, nur eine ungefähre Richtung. Er sagt, er hätte den Zaun nicht verlassen sollen. Da war er zwar nicht glücklich, aber er wusste wenigstens, wo er war, er hatte einen Bezugspunkt. Er versteht nicht, warum er keinen Weg haben kann. Die anderen Tiere haben doch auch ihre Aufgaben, ihren jeweiligen Bereich. Aber um ihn herum ist nichts als Weite, kein noch so kleiner Bezugspunkt am Horizont. Ich finde es traurig, dass ich ihm nicht helfen kann, dass nun alles so geworden ist, obwohl er doch anfangs ziemlich euphorisch war. Ich fühle mich genauso hilflos wie er, ich weiß auch nicht, wie es weitergehen kann. Als wir so nebeneinander stehen, verschmelzen unsere Gefühle zu einem großen Ball aus Hilflosigkeit und Frustration.
Der Wolf sagt, es wäre toll, wenn er den Ort finden könnte, an dem er er selbst und stark sein kann. Aber was, wenn er ihn nie findet? Ich frage ihn, ob er sich erinnern kann, wann er das letzte Mal an diesem Ort gewesen ist, aber er glaubt, noch nie dort gewesen zu sein. In seiner Vorstellung schon, aber real war er noch nie an so einem Ort. Vielleicht gibt es diesen Ort gar nicht und vielleicht wäre es deshalb besser, sich von dieser Vorstellung zu verabschieden. Ja, vielleicht wäre es besser, diese Vorstellung aufzugeben und stattdessen zu sagen, es ist gut da, wo er jetzt ist. Jetzt ist der Zeitpunkt wo wir, der Wolf und ich, diese Entscheidung treffen müssen: entweder weiter nach einem Ort suchen, der vielleicht nur in der Vorstellung existiert, oder akzeptieren, was jetzt gerade ist und nichts mehr wollen. Ich finde, er hat Recht, es ist tatsächlich an der Zeit. Ihm ist egal, wofür wir uns entscheiden, er möchte nur ein bisschen mehr innere Ruhe und Frieden haben für einen längeren Zeitraum. Er kann nicht mehr, fühlt sich so getrieben. Ich dagegen fühle mich völlig unfähig, irgendetwas zu entscheiden. Ich frage ihn, ob wir nicht einfach da bleiben sollen, wo wir grade sind. Nur für eine Weile, dass wir durchschnaufen und einen klareren Kopf kriegen können. Aber mein Wolf will das nicht, es ist heiß und unangenehm hier. Außerdem hat er das Gefühl, dass er sich für eine Richtung entscheiden muss. Aber dieses Müssen geht ihm auf die Nerven, er fühlt sich dadurch unglaublich unter Druck gesetzt, gehetzt, getrieben. Und er möchte nicht mehr sinnlos in eine Richtung laufen. Also erwartet er von mir, dass ich jetzt eine Entscheidung treffe. Ich finde das nicht fair, und auch nicht sinnvoll. Ich möchte erstmal hierbleiben und mich ein wenig einrichten.
by Joe B. Borman
Ich versuche folgendes: Ich stelle mir einen Baum vor, genau da, wo wir grade sind. Er ist groß, man kann sich gut anlehnen, und mit seiner ausladenden Krone schützt er uns vor der Sonne. Rundherum wächst weiches Gras. Ich wünsche mir, dass wir genau diesen Platz jetzt hier haben und es funktioniert tatsächlich: Wolf und ich sitzen jetzt unter einem großen Baum auf weichem Gras. Der Platz ist nicht groß, aber ausreichend, um ein wenig bleiben und zur Ruhe kommen zu können. Mein Wolf legt sich erleichtert nieder, unter diesen Umständen können wir bleiben. Aber er ermahnt mich, dass ich nicht vergessen darf, dass dieser Platz hier eigentlich nicht real ist, er wird also nicht ewig da sein für uns. Wir müssen hier was tun, dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass wir hier bleiben können. Er sagt, wir müssen finden, was wir sind - obwohl er nicht weiß, wie wir das machen sollen.
Mir kommt eine Idee: Er könnte Löcher graben und in jedes legen wir dann eine Vorstellung oder eine Eigenschaft, die von außen über uns gestülpt wurde, oder auch ein Erlebnis, das sich über unser wahres Selbst gelegt hat. Dann  graben wir die Löcher wieder zu. So könnten wir nach und nach alles ablösen, das nicht zu uns gehört, das uns daran hindert, wir zu sein. Ob uns das wohl weiterhelfen könnte? Wolf meint, das ist eine gute Idee! Er ist jetzt wieder ganz eifrig und wirkt ein wenig frischer. Wir sollen das regelmäßig machen, aber in Ruhe. Nichts überstürzen. Zuerst müssen wir ein wenig Ruhe finden, weil wir beide zu aufgewühlt sind, zu mitgenommen.
Das, was wir dem Boden anvertrauen wollen, muss genau angeschaut werden, es muss bewusst übergeben werden, auf rituelle Art.
Mein Wolf meint, dass er sich vermutlich erst auch an die neue Selbstverantwortung gewöhnen muss. Als noch der Zaun da war, konnte er einfach sagen: Ich würde ja, wenn ich könnte. Jetzt ist allerdings so viel Freiheit da und das ist sehr schwer auszuhalten für ihn. Das hat ihn wohl überfordert.
Ich finde es angenehm, jetzt hier ein wenig verschnaufen zu können, auch wenn es nicht auf  Dauer ist und wir zudem noch Arbeit zu erledigen haben.
Ich fühle mich so verbunden mit meinem Wolf. Und wieder sehe ich zwei Bilder von ihm: Das momentane, mit seinem räudigen Fell und der gehetzten Energie, die ihn umgibt. Und auf der anderen Seite das große, schöne, starke Tier. Ich würde es sehr schön finden, wenn er wieder zu dem stattlichen Tier werden könnte, das er eigentlich ist. Ich finde es so traurig, dass er so geworden ist. Wolf sagt, er kann sich nicht erinnern, wie das passiert ist. Er weiß nur, dass er sehr oft das Gefühl hatte, dass es vielleicht gar keinen Platz gibt für ihn und das, was er wirklich ist.
Aber jetzt möchte er sich einfach ein wenig ausruhen. Er ist zufrieden, dass wir einen Plan haben und einen Platz, wo wir bleiben können.

~August~
Ich habe den Wolf lange nicht gesehen. Jetzt treffe ich ihn in einer kargen, öden Landschaft. Er sitzt resigniert da, ist abgezehrt, dünn, sein Blick ist ganz gehetzt und glasig. Seine Pfoten sind blutig. Mir kommen die Tränen bei seinem Anblick. Er ist vor lauter Angst die ganze Zeit über gelaufen, ohne zu wissen, wohin. Er ist einfach gelaufen, immer weiter, obwohl er immer schwächer wurde. Ich mache mir riesige Vorwürfe, dass ich nicht nach ihm geschaut habe, dass ich nicht mehr für ihn da war und ihn beschützt habe vor seinen Ängsten, die ihn fast umgebracht hätten.
Ich bringe ihn in ein Waldstück, lege ihn auf weiches, kühles Moos, es ist ruhig, nur einige Vögel zwitschern in den Bäumen. Die Luft ist angenehm warm. In der Nähe entspringt eine Quelle, dort schöpfe ich Wasser für ihn, lasse ihn trinken, mache kühlende Umschläge für seine wunden Pfoten. Er ist furchtbar schwach, ich kann seine Rippen deutlich fühlen, wenn ich ihn streichle. Er kann seine Augen kaum offenhalten.
Ich sage ihm immer wieder, dass ich mich um ihn kümmern werde, dass er ruhig schlafen kann, weil ich aufpasse. Ich bin da. Alles wird gut. Ich bringe ihm immer wieder ein wenig Wasser und kühle seine Pfoten. Dann lege ich mich zu ihm und halte ihn fest, während er schläft.

Ein paar Tage später stirbt er. Er liegt ganz friedlich auf der Waldlichtung, als ich komme. Ich will nicht, dass er tot ist. Der Verlust schmerzt enorm, ich bin völlig aufgelöst. Ich will ihn nicht verloren haben, ich hätte so gerne gesehen, wie er ganz der wird, der er ist. Ich mache mir Vorwürfe, fühle mich schuldig an seinem Tod. Ich kann nicht glauben, dass es ihn nicht mehr gibt.
Während ich bei ihm sitze und seinen toten Körper streichle, höre ich plötzlich seine Stimme: Ich soll nicht traurig sein, wenn die Zeit reif ist, wird er wiederkommen. Aber ich glaube das nicht, das ist wahrscheinlich nur mein Wunschdenken, weil er mir jetzt schon unglaublich fehlt.

24.9.: Ich habe gekündigt und bin völlig fertig. Raffaella sagt, ich soll meine Bärin (Herzchakra) rufen, aber als ich zu meinen Tieren gehe, kommt sofort der Wolf. Er setzt sich neben mich und schaut ganz erwartungsvoll und unternehmungslustig zu mir auf, dann schaut er nach vorne, spitzt aufmerksam die Ohren und wedelt mit dem Schwanz.

20. November 2015

Paw of Power

Am 29. 10. 2015 komme ich mit einer Bitte zu meinen Tieren. In den letzten Tagen ist eine Kindheitserinnerung bei mir aufgetaucht - ich erlebte erneut den Trennungsschmerz, den jeder Morgen, an dem mich meine Mutter im Kindergarten von mir verabschiedet hat, mit sich brachte. Ich wollte gerne mit meinen Tieren dort hingehen, um der verzweifelten kleinen Daniela von damals zu helfen. Meine Tiere waren einverstanden.

Die beiden Waschbären aus meinem Wurzelchakra sind sofort da, als ich meine Bitte äußere. Begleitet werden sie von einem Eisbären, den ich noch nicht kenne. Er ist zu meinem Schutz da und tatsächlich geht von ihm eine unvorstellbare Ruhe aus, ich habe sofort das Gefühl, mich bei ihm komplett fallenlassen und ihm uneingeschränkt vertrauen zu können.
Die Waschbären fragen mich noch einmal, ob ich wirklich zu dieser Erinnerung zurück möchte, ob ich wirklich bereit bin dazu. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, aber ja, ich will dort hin. Ich habe nur mit meinen Tieren die Möglichkeit, etwas zu heilen. Sie nicken, haken sich links und rechts bei mir unter und marschieren mit mir in der Mitte los. Der Eisbär bleibt dicht hinter mir, ich kann seine körperliche Präsenz deutlich spüren und bin froh, dass er mitkommt.

Ich sehe den Kindergarten, beobachte mit meinen Tieren die folgende Szene: meine Mutter bringt mich gerade, noch ist alles in Ordnung. Aber dann muss sie sich verabschieden und ich werde traurig. Ich möchte nicht alleine hierbleiben, ich möchte entweder mit meiner Mutter gehen, oder mit ihr gemeinsam hier den Tag verbringen. Ich möchte nicht ohne sie sein. Als sie sich umdreht und Richtung Tür geht, schwappt eine Welle der Verzweiflung über mich, die Tränen fließen. 
Die Traurigkeit der kleinen Daniela greift auch auf mich über, ich möchte ihr so gerne helfen, aber ich weiß nicht, wie. Ich frage die Waschbären, was wir jetzt tun sollen. Sie sagen, ich soll gar nichts machen, ich bin im Moment keine große Hilfe, ich bin zu sehr mit Gefühlen wie Mitleid und Ärger über die Ungerechtigkeit der Umstände blockiert, als dass ich einen konstruktiven Beitrag leisten könnte; sie erledigen das schon. Meine Aufgabe ist es, mich zum Eisbären zu setzen und zuzuschauen. Und wieder bin ich unendlich dankbar, dass der Eisbär bei mir ist, ich lehne mich mit dem Rücken an ihn, spüre das weiche Fell und lasse mich von seinen großen Pranken festhalten. Das tut gut.

Die Waschbären frieren die gesamte Szenerie ein - meine Mutter erstarrt mitten im Weggehen, eine der Tanten erstarrt auf halbem Weg zu mir, um mich zu trösten, die übrigen Kinder rühren sich ebenfalls nicht mehr. Nur ich, die kleine Daniela, stehe immer noch da und weine, weine, weine.
Die Waschbären flitzen nun auf mich zu, sie beginnen, um mich herumzutoben, spielen Fangen um meine Füße. Sie sind dabei so lustig anzuschauen, dass ich unweigerlich zu weinen aufhören muss. Sie haben so viel Spaß und Energie, laufen jetzt auch an mir hoch und wieder runter bei ihrem wilden Spiel, sie kitzeln mich dabei mit ihrem weichen Fell, ich muss kichern. Dann setzen sie sich links und rechts auf meine Schultern und sagen, ich soll mich zu meiner Mutter umdrehen. Wir stehen uns jetzt gegenüber.
Die Waschbären klettern von meinen Schultern, einer geht zu meiner Mutter, der andere bleibt bei mir. Beide formen sie jetzt jeweils eine goldene Blase um uns, dann berühren sie mit ihren kleinen Pfoten die Stelle an unseren Körpern, wo das Herz sitzt. Die freie Pfote legen sie in die des anderen Waschbären, sodass wir alle miteinander verbunden sind. So stehen wir eine Weile ganz ruhig, eingehüllt in das warme Gold, bis die Waschbären die Verbindung lösen und ihre Pfoten von unseren Herzen nehmen. Als sie ihre Arme aus den Blasen ziehen, schaut es aus, als wären sie aus Gold gegossen. 
Nun tauschen die Waschbären ihre Plätze, mein Waschbär legt seine jetzt goldene Pfote auf das Herz meiner Mutter, und ihrer macht das gleiche bei mir. Wieder stehen wir eine Weile so da, allesamt verbunden. Dann nehmen sie ihre Pfoten weg und treten einen Schritt zurück. Das Gold auf ihren Armen verblasst, ebenso wie die Blasen um meine Mutter und mich. Was zurückbleibt, ist ein tiefgold leuchtender Waschbärenpfotenabdruck über unseren Herzen, der sich unglaublich warm und gut anfühlt. 
Die Waschbären sagen mir, dass es jetzt Zeit ist, mich von meiner Mutter zu verabschieden. Ich nicke, lächle sie an und winke ihr, sie lächelt zurück und geht. Dieses Mal ist das in Ordnung für mich, ich drehe mich um und gehe zu den anderen Kindern. Auf meiner Brust leuchtet der goldene Pfotenabdruck. Und ich weiß, dass das bei meiner Mutter auch so ist.

Ich sitze immer noch an den Eisbären gekuschelt da, als die Szene langsam undeutlich wird und schließlich ganz verschwindet. Die Waschbären kommen zu uns, sie sind sehr zufrieden mit sich und ihrer Arbeit. Als ich an mir hinunterschaue, sehe ich, wie über meinem Herzen ein goldener Pfotenabdruck schimmert.

Da taucht plötzlich die Katze auf. Sie gratuliert den Waschbären und schickt den Eisbären weg (meine Katze ist eine ganz typische Katze, sehr pragmatisch, sehr selbstbestimmt, sehr ... na eben katzig). Ich möchte nicht alleine sitzen, fühle mich unsicher und verwundbar ohne den starken Eisbären, der meinen Rücken schützt. Aber die Katze sagt, das muss genau so sein, denn wir sind noch nicht fertig. Ich habe mit dem Pfotenabdruck über meinem Herzen heute ein großes Geschenk der Heilung erhalten, aber sie möchte mir auch noch etwas geben, um alles vollständig zu machen. Sie geht auf meine Rückseite und kratzt mich plötzlich völlig unvermittelt. Die fährt mit ihren Krallen über meinen ganzen Rücken, von oben nach unten, ich spüre ein heftiges Brennen. Sie sagt, ab jetzt kann ich alleine sein, so wie Katzen auch. Ich kann mir selbst genügen und Halt finden bei mir. Auf meiner Vorderseite habe ich den Pfotenabdruck der Waschbären und auf meinem Rücken ihren Kratzer, ich habe den Schmerz und den Schutz, dazwischen bin ich, kann ich ganz ich sein, da beginne ich, da höre ich auf.

Ich danke meinen Tieren. Von ganzem Herzen.



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18. November 2015

storch

reise vom 7.8.15
da ist ein storch, links vor mir. ich begrüße ihn, hallo, was magst du mir zeigen? oft ist es genug, einfach nur so herumzutrippeln, sagt er. und das macht er. er geht mit seinen dünnen beinen und kleinen füßchen und zehen herum. ein bisschen im kreis, schaut nach vor, links, rechts. pickt ein bisschen, schaut in den himmel. und sagt noch einmal, das ist genug, schau, schau. spürst du das leben? und es ist wirklich so, als würde ich sehen, wie das leben so fließt, seine füße rauf und runter. ein bisschen ein anderes leben ist in seinen federn drinnen, er bewegt seine flügel. er tut ganz, ganz wenig, aber das leben ist da. ich sag, magst du, dass ich mich so hinstelle und auch so das leben spür wie du jetzt? und er nickt beiläufig. und ich steh da und ich spür wie das leben durch meine füße läuft, durch meine beine. da ist nicht nichts, da ist viel leben. überall ist leben, überall wird das leben von anderem leben angestoßen, von kleinen zellen, die wie runde kügelchen sind, wie verschiedenfarbige perlen. und der storch sagt, lass es zu. und endlich ist das leben nicht nur in meinen beinen - irgendwie ist da nämlich ein hindernis, da geht’s nicht so gut durch, wo mein unterleib beginnt - hier ist ganz feines gewebe und dieses leben, die kügelchen durchstoßen das gewebe. kommen höher. ich kann ganz viel leben spüren in meinem unterleib, aber es ist ganz zart. die kügelchen sind hier noch viel feiner und kleiner. viel kleiner! und da ist ein pochen in meinem unterleib. und diese kügelchen sind in bewegung, ganz viele und stoßen ganz viele andere an. es ist ein bisschen wie in der letzten reise, wo alles alles bewegt, alles mit allem zu tun hat, und alles ist leben. und ich seh den storch, der immer noch so rumtrippelt und er sagt zu mir, lass das leben höher steigen. und ich spüre, wie säfte in mir hochsteigen und alles, alle säfte, alles besteht – es ist rosarot – besteht aus kleinen kügelchen, ding, ding, die einander vorwärts stoßen. und der storch sagt, lass das leben dich ausfüllen, gib dich hin. in jede kleinste zelle. lass jede zelle neu beleben. ich kann jetzt spüren, wie unterschiedlich die bereiche sind, sehen eigentlich. im herzen ist ganz viel trubel, ganz viel leben. hier sind interessanterweise diese kügelchen größer und dadurch ist alles viel – also große bewegungen – es ist schneller, es geht schneller was weiter. dann ist es etwas schwierig bei den schultern, dass da was durchgeht. als wären die arme, so wie bei gliederpuppen so dranhängend und würden gar nicht ganz dazugehören. es ist so, als müsste man sie erst anhängen. es ist so ein hin und her von leben, ja wie zickzackstiche. aber innen, innen wird hier gearbeitet von dem leben, von den kugeln, von den zellen. in den zellen werden neue verbindungen geschaffen. zuerst links und jetzt rechts in den schultern. das ist schwieriger, aber der rechte arm ist auch ganz anders, eher wie ein flügel. es beginnt sich etwas zu verändern in diesem oberen bewegungsapparat. in diesem oberen... ja ich bekomme flügel. gleichzeitig spür ich wie im hals gearbeitet wird. hier ist es ganz dicht, hier ist es wie eine dichte masse, wie ton der einige... 5, 6, 7 cm breit ist, wo bahnen durchggezogen werden müssen, so als würden ganz kleine feine nadeln - es ist sehr unangenehm - von unten nach oben durchgehen. auch ein paar von oben nach unten, interessant. es ist so: von unten nach oben werden kleine kanäle gezogen. gleichzeitig wird an meinen flügeln gearbeitet. so füllig wie federn, helle federn. weiß, links sind schwarze dabei, ein paar rote dabei. auch rechts sind rote, es ist unglaublich. wenn ich genau wahrnehme, dann spür ich, dass in meinem ganzen körper gearbeitet wird. pumabeine, entenhintern, auch tiere, es sind tiere da. es werden tierteile in mir, die sich auch wandeln. das ganze leben ist da. dieser wie gerupfte entenhintern irritiert mich ein bisschen. der storch erklärt mir, das ist anders, hier müssen erst die federn geboren werden. da ist nichts gerupft, das ist alles neu. neues leben! ich hab hufe und krallen, es changiert. ich bin leben, ich bin leben, ich bin lebendigkeit. bewegung. die kleinen kügelchen arbeiten und alles verändert sich. es ist so wichtig bei dem hals da durchzukommen. man kann nicht diese ganze schicht, die wie ton ist wegräumen, denn dann würde der ganze kopf herunterfallen. durchlässig machen. das ziel ist, hier ganz durchgängig zu werden, und ich schau den storch an und er sieht mich an und ich sehe an ihm, was mit mir passiert. es wird der hals immer länger, mein hals wird länger, wird dünner. dadurch verändert sich die konsistenz von dieser masse, von dem hals überhaupt. es wird besser. der storch sagt, und ich spür das auch, aus diesem alten leben wird neues leben geboren. und durch das längerwerden des halses entsteht so eine art kanal, und von unten kommt das leben rauf in meinen kopf. und mein kopf ist ganz unerwartet anders, wie eine große blüte, wie eine unglaublich schöne, dichte, duftende rosa pfingstrose. groß und buschig und duftend. sie wird immer schöner und ein bisschen dunkler. sie wird genährt von dem leben und es ist so, dass ich spür, wie ich jetzt auch wurzeln hab in die erde. wie ich als ganzes mich in eine blume verwandle. wie ich wasser bekomme. lebenswasser aus der erde, die mich trägt und hält und nährt, die wunderbare erde, meine mutter, und es kann mir nichts passieren. das ist irgendwie psychedelisch, ganz seltsam. und doch auch so real, es kann mir nichts passieren. über mir ist der himmel, der himmel, der mich nährt und die sonne. und unten ist die erde und das wasser. wasser, lebenswasser kommt von unten und von oben. das lebenswasser kommt von unten und von oben und es ist da in der luft, in der mitte. leben ist wasser, wasser ist leben. ich fühl mich jetzt ganz lebendig, auch in der mitte, mein herz ist so stark. und vom herzen aus bin ich intensivst bemüht nach dieser verbindung nach oben und nach unten, dass alles in verbindung und fließend ist, dass die kleinen kügelchen sich bewegen können, rauf und runter, wie es ihnen gefällt. sie sollen spaß haben, sie sollen reinen spaß haben. überall in meinem körper ist leben und spaß, reines vergnügen. ich bin eine geburt. lange lebt eine pflanze nicht. ich bin jetzt gerade eine geburt. wovor sollte ich angst haben? das leben ist ehrlich und genau jetzt. ich frag den storch, ist es gut so? ich schau ihn an, er steht neben mir, er ist genau so groß wie ich. ich bin eine pfingstrose, er ist ein storch. ich bin eine sehr große pfingstrose. und der storch sagt, ich soll mich nur ganz diesem leben hingeben, diesem neuen. ein pflanzenleben. ein pflanzenleben ist ganz anders. kurz. ein blume hat ein kurzes leben und ist das leben. und dieses leben ist ganz frisch. unglaublich prickelnd, wie frisches bergquellwasser. und es spritzt und sprinkelt rauf und runter in mir, raus aus den blütenblättern und aus den blättern. und ich bin so unglaublich lebendig, so lebendig. der storch sagt, du hast dich gefragt, wo das neue ist, das neue leben. sei dir bewusst, dass du dir jedes leben in jedem augenblick erschaffen kannst. wenn du das bedürfnis nach einem puma, nach einem pumaleben hast, dann mach dir einen puma. einen stein, eine wolke am himmel, eine oma, ein messer, eine küchengabel. alles ist leben und alles ist dir immer zugänglich, in jedem augenblick. es ist nur weg, wenn du dich verschließt. es kann dir nichts passieren. du bist wunderbar aufgehoben, zwischen himmel und erde in dir. ich danke dir, wer bist du denn? (lacht) dein geburtshelfer, siehst du das nicht? dann nimmt er mich, ich bin die blume, er nimmt mich und hält mich und trägt mich hoch und fliegt weg mit mir und setzt mich in eine reiche, reiche rote und saftige erde hinein. und da ist ein kleines lüftchen, ein paar wolken, ein wind, eine temperatur und farben wie ich sie mir nur wünschen kann und wie es in marokko ist. eine pfingstrose in marokko! was für ein schöner buchtitel, sagt der storch. und ich sag, an schreiben denk ich jetzt wirklich nicht. und der storch sagt, musst du nicht, das leben schreibt sich selber. lass es nur zu, gib dich hin, gib dich immer hin. blockier dich nicht durch irgendein schlechtes gefühl oder ein schlechtes gewissen oder ein irgendwas sollte anders sein. hab keine angst. hab keine angst, solange du fließt und das leben fließt, ist alles gut. ich sag, bist du da, bleibst du da? kann ich dich erreichen? und der storch sagt, immer wenn du das bedürfnis nach einer neuen geburt hast, täglich, sekündlich oder stündlich, ein mal im jahr oder nie wieder, ich werde da sein, ich helfe dir. ich bin sehr gerührt. jetzt lieg ich da, der storch breitet seine flügel über mein gesicht. breitet seine weichen flügel über mein gesicht, und es sind die gleichen flügel, die ich auch jetzt bekommen habe. ja freilich hast du mich selbst geboren, sagt der storch, wer denn sonst? ich bin ja dein tier, und du weißt auch, dass du fliegen kannst. bleib noch da, hingebreitet wie du bist, ich bin über dich gebreitet, es ist alles gut. und der storch ist wie eine feine, zarte federdecke. danke.
(wörtlich nach einer audio-aufnahme)