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tiefes wissen

Hier lesen Sie Geschichten der Heilung und des inneren Wachstums. Es sind erlebte Erzählungen von Menschen, die in ihre Tiefenimagination gereist sind und von den Wesen ihrer inneren Bilderwelt durch Wachstumsprozesse begleitet wurden. Lassen Sie sich berühren von der Vielfalt und Tiefe der hier geteilten Geschichten. Vielleicht wecken sie in Ihnen den Abenteuergeist, selbst auch einmal den Blick nach innen zu richten und auf die Reise zu gehen…

8. November 2015

Die Wurzel des Ärgers

Reise vom 27. August 07 nach dem Besuch bei einer Frauenärztin, die mir den Befund "PAP 4" mitteilte, ohne mir in irgendeiner Form psychologische Unterstützung, Begleitung oder Zuspruch anzubieten. Stattdessen schwang sie verbal die Angstkeule und drängte mich, so schnell wie möglich einen OP-Termin zu vereinbaren. Ungefragt entnahm sie eine Biopsie und war vollkommen verständnislos, als ich sie unter Schock fragte, wie sie so etwas ohne mein vorheriges Einverständnis tun könne. Sie meinte, das sei das Standard-Vorgehen bei dieser Diagnose. 

Ich bin in meinem inneren Zuhause. Alle Tiere sind da.
„Leg dich auf meinen Rücken,“ lädt mich  Schildkröte ein. Dankbar nehme ich ihre Einladung an, fühle mich todmüde.
„Wegen deiner Müdigkeit und Erschöpfung sind wir hier,“ sagt die Eule und schon leuchtet ihr Brustkorb hell auf und Lichtstrahlen aus ihrem Herzen suchen mein Herz und dringen sanft in mich ein. Meine Muskeln entspannen sich und ich sinke ein, spüre den Halt, den mir Schildkröte gibt.

Nach und nach leuchten die Herzen aller Tiere auf und ich empfange das Licht, das aus allen Richtungen auf mich einströmt. Weißer Elefant, Puma, Herz-Pferd und Grizzly leuchten aus ihren Herzen. Der rote Vogel hat sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet und strahlt mit seinem ganzen Körper kraftvoll in meine Richtung. Nun beginnt auch die Schildkröte unter mir zu leuchten.

Dankbar nehme ich dieses Geschenk an. Ich spüre, wie meine Zellen sich öffnen und durstig das Licht trinken.Es ist als würde ich feine Bewegungen in jeder meiner Zellen bis in die Knochen hinein wahrnehmen können. Es tut sehr gut, mich dem hinzugeben. Ich spüre Frieden in mir und um mich herum und weiß, ich bin am richtigen Ort. Es gibt nichts zu tun außer hier zu sein.

Lange liege ich so umringt von den Tieren und bin in Frieden. Ganz langsam steigt leise ein Gefühl in mir hoch, unscheinbar erst, doch irgendwann nicht mehr übersehbar: Ärger sticht in meinem Bauch mitten in die wohlige Wärme des Lichtes. Ärger über die Frauenärztin, die, ohne mich überhaupt zu fragen eine Biopsie meines Gebärmutterhalses entnommen hatte, Ärger darüber, dass sie mir nicht einmal in die Augen gesehen hatte, als sie mir die Diagnose "PAP 4" mitteilte, sondern wie beiläufig in ihren Laptop, der zwischen uns stand gestarrt hat und Texte eintippte. Spitzer, scharfer, kantiger Ärger macht sich in mir breit und schneidet in meinen Bauch und Unterleib, wird stärker und mächtiger und füllt mich bald ganz aus.

© Renée Delâge
 Puma meldet sich zu Wort: „Der Ärger hat viele Schichten und es nicht immer gut, ihn so tief in dich hinein zu lassen. Du hast dich so viel geärgert in deinem Leben. Immer wieder. Oft bezieht sich dein Ärger auf etwas in der Vergangenheit. Wenn du daran festhältst ist es, als würdest du dir eine Fußfessel anlegen, die dich fixiert.“

Ich bemerke, dass da tatsächlich eine Eisenkette an meinem Bein hängt. Erschrocken versuche ich, sie loszuwerden und es kostet mich viel Kraft, sie abzuschütteln. Das Licht, das die Tiere immer noch auf mich scheinen hilft. Auch die Wärme bewirkt, dass sich das Gefühl in mir nicht mehr so spitz anfühlt, als würde Schaumgummi um die Ecken und Kanten gelegt werden. Das Gefühl des Ärgers wird langsam dünner bis es fast nicht mehr spürbar ist. Die Eisenkette ist von Rost zerfressen und zerbröckelt.

„Warum halte ich mich immer wieder so stark am Ärger fest?“ frage ich Puma.

Da sehe ich plötzlich meinen Vater, wie er sich ärgert und in seinem Zorn vor sich hin zu schimpfen beginnt. Ich sehe, dass sein Ärger rote Energielinien in seinem Körper bildet. Diese bewirken, dass er sich lebendig fühlt, so als wären sie Stromstöße, die ihn am Leben erhalten. Für ihn selbst ist das ganz vertraut und natürlich.

Dann sehe ich meine Mutter.Bei ihr ist es ganz anders. Schnell steigert sich ihr Ärger in Zorn, Wut und schließlich Hass. Eine feuerrote Energie, die wie ein Vulkan ausbricht und ein Ziel im außen braucht. Während die Energie des Ärgers in meinem Vater im geschlossenen System seines Körpers in Bewegung kam, brauchte die Energie meiner Mutter ein Ziel. Und dieses Ziel war meistens ich. Es traf mich mit voller Wucht. Der Ausbruch konnte jederzeit, vollkommen unvorhersehbar passieren; ja er musste passieren weil der Druck in ihr sonst zu groß wurde. Es war vollkommen egal, wer das Ventil öffnete – der Druck musste raus.

„Und wie wirkt die Energie des Ärgers in mir?“ frage ich weiter.
„Was in dir wirkt sind Abfälle, Reste, Ablagerungen.“
Er zeigt mir einen Haufen voller Glasscherben. Das heilende Wasser fließt daran vorbei, nimmt immer wieder einzelne Scherben mit. „Das Wasser sorgt dafür, dass die Scherben langsam abtransportiert werden. Da gibt es für dich nichts zu tun. Das passiert von alleine. Aber es ist sehr wichtig, dass du aufhörst, dir ins eigene Herz zu schneiden,“ sagt er in eindringlichem Ton. „Ich werde dir dabei helfen.“

Eine alte Angst, die mich schon lange begleitet hat löst sich auf, so als wäre sie ein harter Kern in meinem Rücken, der nun zu schmelzen beginnt. 
„Was ist das für ein Angstkern in meinem Rücken? Kannst du mir etwas darüber zeigen?“ frage ich Puma.

Da sehe ich mich als kleines Mädchen vor meiner Mutter stehen, gerade als sie einen ihrer Ausbrüche hat. Der rote Energieschwall bricht blitzschnell aus ihr heraus und trifft völlig ungebremst und mit voller Wucht das kleine Mädchen. Es haut sie fast um.

Als nächstes sehe ich mich als Mädchen mit meinem Vater. Bei ihm tritt die Energie in dünnen Rinnsalen in alle Richtungen aus und manche dieser Energiefäden treffen aus verschiedenen Richtungen die Kleine.

Der Schwall der Mutter war überwältigend, viel zu hell, zu intensiv und zu wuchtig, mit voller Zerstörungskraft. Aber er war zumindest eindeutig sichtbar – es war immer klar erkennbar, aus welcher Richtung er kam. Die Energie des Vaters hingegen war sehr verwirrend. Sie erreichte mich subtil aus unterschiedlichsten Richtungen, manchmal wusste ich nicht einmal, ob sie überhaupt von ihm kam.

Ich erkenne einen schwarzen Punkt auf der Haut zwischen den Schulterblättern des kleinen Mädchens.
„Darf ich ihn mir anschauen?“ frage ich sie vorsichtig.
Sie nickt mit dem Kopf und ich komme näher und berühre die dunkle Stelle behutsam mit meinem Finger. Da spüre ich Bewegung unter der Haut und im nächsten Augenblick öffnet sie sich und ein Schwall Spinnen, Würmer und anderes ekliges Zeug schießt mit vollem Druck heraus.

Ein Ventil ist aufgegangen.

Das Mädchen seufzt tief und sagt: „Danke. Danke!“

„Der Ärger, die Wut und der Hass deiner Eltern sind in dein Herz eingedrungen. Aber am allermeisten haben sie ihre Ängste und Panikgefühle an dein Herz abgegeben.“ Während er das sagt, wiegt Puma betroffen seinen Kopf hin und her und hat die Lider halb geschlossen.
Es tut so gut, dass das schwarze Zeug nun aus mir heraus fließen kann.

© Lucy Campbell
Ich nehme das kleine Mädchen mit zu meinem inneren Zuhause am See. Wir legen uns beide auf die Schildkröte und nun bekommt auch sie viel wärmendes Licht von den Tieren.

„Es ist vorbei. Es ist vorbei,“ flüstere ich ihr immer wieder ins Ohr und sehe, wie ihr Tränen der Erleichterung über die Wangen laufen. Sie hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass all das jemals aufhören würde.

Lange liegen wir auf der Schildkröte und erst als auch das kleine Mädchen wieder ganz aufgewärmt ist und seine Haut rosig schimmert, schwimmt Schildkröte mit uns an Land. Wir gehen zum großen roten Vogel, der seine Flügel ausbreitet und uns unter seine Fittiche nimmt, wo wir uns eng aneinander kuscheln. Ich kann mir keinen schöneren Ort auf der Welt vorstellen und spüre die tiefe Liebe, die uns verbindet.

„Möchte noch jemand von euch in die Mitte des Heilkreises?“ frage ich in die Runde.
Da meldet sich die Eule zu Wort: „Wenn es dir gut geht, geht es uns allen gut. Es geht um dein Glück. Dein Leben. Nichts anderes ist im Moment wichtig.“

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit hätten diese Worte in mir heftigen Widerstand erzeugt. Ich hätte gekontert, dass das Glück und die Zufriedenheit aller anderen viel wichtiger wären und ich an letzter Stelle stünde.
Aber nun spüre ich: Es darf mir gut gehen.

Eule gibt mir noch einen Tipp: „Sprich mit der Ärztin nicht am Telefon. Schreibe ihr einen Brief und schreibe ihr, was ihr Verhalten mit dir gemacht hat. Dann gibt es eine Chance, dass sie etwas versteht. Es geht nicht darum, deinen Ärger über sie in sie hineinzuspucken, so wie deine Mutter es mit dir getan hat. Wichtig ist, ihr Feedback zu geben damit sie wachsen kann, wenn sie dazu bereit ist.“

Ich bin sehr froh über die Klarheit der Eule und dass sie mich erleben hat lassen, worum es hier geht. Ich kann spüren, dass ich ohne ihre Hilfe einfach meine Angst vor der Krankheit, meine Wut und meinen Zorn in die Ärztin hinein gepflanzt hätte. Nun fühlt es sich viel stimmiger an, ihr mitzuteilen, was ich von ihr gebraucht und mir gewünscht hätte. Ich bin sehr erleichtert. Ein Telefonat mit ihr wäre eine Überforderung gewesen und ich hätte mich in eine falsche Tapferkeit hineingepuscht, die sich letztlich nur wieder gegen mich gerichtet hätte.

Ich bedanke mich von ganzem Herzen bei Eule und Puma und den anderen und kuschle mich noch tiefer in die weichen Federn des roten Vogels, Seite an Seite mit der Kleinen.

Nach dieser Reise fand ich den Mut, einen persönlichen Termin mit der Ärztin zu vereinbaren. Im Gespräch konnte ich ruhig und klar vermitteln, wie sehr sie mich durch den körperlichen Übergriff der ungefragten Biopsie traumatisiert hatte. Ich vermittelte ihr, dass Frauen, die diese Diagnose erhalten, zu aller erst einmal Zuspruch brauchen, klare Informationen, was diese zu bedeuten hat und Zeit, die Nachricht zu verdauen und sich Unterstützung zu holen, um eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise treffen zu können. 

Die Ärztin begann daraufhin zu weinen und gestand mir, dass ihre Mutter an Gebärmutterhalskrebs gestorben sei und sie deren Tod noch immer nicht verkraftet hätte. Sie als "Spezialistin" hätte ihr doch das Leben retten müssen!

Ich empfahl ihr, dringend therapeutische Hilfe in dieser Sache zu suchen, bevor sie weitere Frauen aufgrund ihres eigenen Verdrängens der Angst, übergriffig und herzlos behandeln würde.

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